Abschied
Wir sind schwanger. Das ging schnell und wirft jetzt doch ein bisschen mein Leben durcheinander. Eigentlich sollte ich doch nächste Woche nach dem langen Corona-Lockdown wieder in arbeiten gehen, weil ich Lehrerin bin, darf ich ab jetzt nicht mehr in die Schule.
Natürlich fragen meine Familie und meine Freunde, wie es denn in der Schule sei und wie dort jetzt alles ablaufe. Ich überlege noch zu lügen, entscheide mich dann dafür einfach offen zu sein und zu erzählen, dass ich nicht arbeiten gehe, weil ich schwanger bin. Jetzt wissen alle Bescheid; in der 6.SSW. Ganz schön früh. Weil ich zwischen meinen beiden Kindern schon mal eine Fehlgeburt hatte, bin ich durchaus darüber bewusst, dass ich diesen ganzen Menschen im Ernstfall auch erzählen muss, dass wir doch kein Baby mehr bekommen.
Ich fühle mich gut, mein Mann und unsere Kinder freuen sich auf Familienzuwachs. Anfang der 10.SSW (Montag) habe ich einen Kontrolltermin bei meinem Frauenarzt. Er sagt, er habe keine guten Nachrichten für mich; das Baby sei nicht mehr durchblutet und wohl seit ungefähr einer Woche nicht mehr weitergewachsen. Gefasst lasse ich mich von ihm in die Frauenklinik überweisen und mir das weitere Prozedere der Ausschabung erklären. Währenddessen schreibe ich meinem Mann, dass er bitte JETZT in die Stadt kommen soll. Ich verlasse die Praxis und als die Tür ins Schloss fällt bricht es aus mir heraus. Ich kann nur noch weinen. Vor der Praxis setze ich mich auf die Treppen und warte auf meinen Mann. Als er kommt nimmt er mich sofort in die Arme. Ich bitte ihn Chris anzurufen um zu fragen, ob ich wirklich in die Frauenklink muss. Leider erreicht er Chris zu diesem Zeitpunkt nicht. Also gehen wir gemeinsam in die Frauenklink. Dort dauert alles ziemlich lange und ich bekomme einen Termin für den nächsten Tag. Ich frage die Ärzte, ob es wirklich nötig sei eine Ausschabung zu machen. Sie antworten mir, dass es natürlich auch ohne ginge, das Baby dann aber vielleicht noch lange in mir bliebe und wenn es rauskomme, ich wahrscheinlich wahnsinnige Schmerzen haben und wochenlang bluten werde; so dass es auch für mich lebensbedrohlich werden könne. Na gut, dann höre ich mir die ganzen Risiken des Eingriffs an. Ich unterschreibe alles was ich vorgelegt bekomme und mache mich auf den Weg nach Hause.
Irgendwie möchte ich mich nicht damit zufrieden geben, dass diese Schwangerschaft jetzt so schnell zu Ende sein soll. Schließlich hatte ich noch keine Zeit mit meinem Kopf und meinem Herz der traurigen Nachricht hinterherzukommen. Also probiere ich nochmal Chris zu erreichen. Zum Glück, Chris geht ans Telefon. Unter Tränen erzähle ich ihr was passiert ist und von den Termin am nächsten Tag und wie es mir damit geht. Es tut gut mit Chris darüber zu sprechen, sie findet genau die richtigen Worte und beruhigt mich. Wenn ich keine Ausschabung wolle, wäre das vollkommen in Ordnung. Der Körper könne das ganz alleine regeln. Also sage ich den Termin für den nächsten Tag ab. Die nächsten Tage lasse ich meine Gefühle kommen, setze mich mit der Situation auseinander, rede mit meiner Familie und Freunden und nehme Abschied.
Mittwoch Abend merke ich eine leichte Blutung. Ich setze mir meine Menstruationstasse ein. Donnerstag Vormittag tut mir der Unterleib weh. Die Schmerzen werden stärker und um 11:30 Uhr merke ich wie ein kleiner Klumpen aus mir rauskommt. In einer Schüssel schaue ich mir dieses „Ding“ genauer an und hege die Vermutung, dass da drin mein Baby ist. Auch alles andere was über den Tag aus mir rauskommt sammel ich in einer anderen Schüssel. Ich verbringe den Tag mit Unterleibsschmerzen im Bett. Abends kommt Chris um sich mit uns gemeinsam das Geborene anzuschauen. Scheinbar ist alles rausgekommen. Ich bin wahnsinnig erleichtert.
Als Familie verabschieden wir uns von unserem Baby und haben es in Gedanken bei uns.
Danke Chris auch diesmal für deine tolle Unterstützung. Wir sind froh dich als unsere Hebamme an unserer Seite zu haben!
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